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Teil 28

Kulturelle und religiöse Diskriminierung

Die Hindus und Sikhs in Afghanistan sind auch einer expliziten kulturellen Diskriminierung ausgesetzt, die eindeutig zum Ziel hat, sie als religiöse und kulturelle Minderheit innerhalb kürzester Zeit auszulöschen. Ihre Schulen sind geschlossen. Hindus berichteten mir, sie hätten sich nach dem Antritt der Regierung Karsai an das Bildungsministerium gewandt und gebeten, wieder eigene Schulen für ihre Kinder einzurichten und mit Finanzen und Lehrern auszustatten; jedoch ohne die geringste Reaktion.

Nach der Machtübernahme der Mujahedin mussten die Hindus miterleben, wie viele ihrer Tempel entweiht wurden. Beispielsweise benutzten die Mujahedin unter Präsident Rabbani einen Tempel in Kabul lange als militärischen Stützpunkt der „Schoray-e Nezar„, des militärischen Arms der „Djamiat-e Islami„-Partei; zur großen Empörung der Hindus, die ihr Gotteshaus entweiht sahen.

Bezeichnend, dass heute neben mehreren Hindu-Tempeln große Moscheen stehen. Diese haben ihre Lautsprecher so auf die Hindu-Tempel ausgerichtet, dass diese ständig mit den Gebetsrufen beschallt werden – eine interessante Mischung zwischen Bekehrungsversuch und Psychoterror.

Vor allem in ihrer Religionsausübung werden die Hindus und Sikhs massiv behindert. Die Bewohner von „Kart-e Parwan„ berichteten, unter Najibullah hätten sie eine Verbrennungsstätte außerhalb des Stadtgebiets gehabt, im Süden von Kabul im Viertel „Kalatsche„. Doch die dortige, muslimische Bevölkerung gestatte ihnen heute nicht mehr, ihre Toten dort zu verbrennen. Mehrmals hätten sie dies versucht, doch sie wären geschlagen und von dem Areal dort, das ihr Eigentum sei, vertrieben worden. Auf Beschwerden beim Innenministerium erklärte man den Hindus und Sikhs, sie sollten Polizeischutz für ihre Zeremonien anfordern. Sie mussten jedoch erleben, dass die Polizei nicht auftauchte und sie – unter Mitnahme ihrer toten Angehörigen – vor einer aufgebrachten muslimischen Menge flüchten mussten.

Da die Regierung ihnen keinen Ersatz zur Verfügung stelle und ihr Anliegen ignoriere, hätten sie sonst nur die Möglichkeit, ihre Toten in Pakistan oder insgeheim irgendwo in Afghanistan zu verbrennen, ein beschwerliches und teures Unternehmen. Daher seien sie darauf angewiesen, ihre Toten im Tempel von Kart-e Parwan zu verbrennen, ein Verfahren, das im Übrigen ihren religiösen Geboten widerspricht. Doch sogar dies sei ihnen offiziell verboten. Die Menschen, die ihnen ihre Häuser geraubt hätten, ließen dies nicht zu. Einer davon sei der ehemalige Verteidigungsminister Fahim. Er habe ihnen gedroht, ihren Tempel zerstören zu lassen, wenn sie noch einmal eine Verbrennung dort abhielten. Nicht einmal diese Zeremonie, die in ihrer Religion von zentraler Bedeutung ist, können die Hindus also in Afghanistan abhalten. Ich suchte die ehemalige Verbrennungsstätte im Süden von Kabul auf und befragte die Anwohner. Diese bestätigten mir die Berichte.

Am bedeutsamsten jedoch für die fortgesetzte Existenz der Hindus und Sikhs als kulturell eigenständige Minderheit und für ihr Überleben in der Zukunft ist jedoch die Politik, die in Afghanistan gegenüber der jungen Generation betrieben wird. Ganz abgesehen von dem humanitären Aspekt des Leidens der Kinder wird hier systematisch versucht, sie von jedem Zugang zu Bildung fernzuhalten. Der Druck auf die Gemeinden geht sogar bis zur Zwangsbekehrung von Kindern.

Insgesamt befinden sich in Kabul noch ca. 120 Hindu- und Sikh-Kinder. Sie sind schwer traumatisiert, völlig verängstigt und fürchten sich, das Gelände ihrer Tempel zu verlassen, um nicht von den muslimischen Kindern drangsaliert und geschlagen zu werden. Die Hälfte von ihnen besucht die so genannte Hindu-Schule. Diese ist allerdings nicht staatlich anerkannt; die Kinder werden dort nur in Religion und in ihrer eigenen Sprache unterrichtet. Die Schule hat kaum Einrichtung und Lehrmittel und nur eine einzige Klasse für Kinder von 6 bis 12 Jahren. Die Regierung stellt weder Gelder noch Lehrer. Die Hindu-Gemeinde ist, wie der Schuldirektor erklärte, nicht mehr in der Lage – wie in ihrer Blütezeit unter Najibullah –, aus eigenen Mitteln für die Schulausbildung der Kinder zu sorgen. Für ihr Leben in Afghanistan können die Kinder mit dieser Schulbildung nichts anfangen; in der afghanischen Sprache sind sie dennoch Analphabeten und erlangen keinen Schulabschluss. Diese einzige Schule befindet sich in Kart-e Parwan. Der so genannte Direktor, Otar Singh – der einzige Lehrer – erklärte, vor zweieinhalb Jahren seien einmal Vertreter von zwei NGOs dort gewesen und hätten ihnen zugesagt, beim Erziehungsministerium vorstellig zu werden, damit ihnen geholfen werde. Doch auf Hilfe warteten sie bis heute. „Es ist eine Lüge, wenn die UNO oder andere erzählen, sie hätten uns geholfen„, sagte er wörtlich. Seiner Einschätzung nach sei es die Politik der Regierung, die Hindus so unter Druck zu setzen, dass sie entweder das Land verließen, oder die nächste Generation sich vollkommen assimiliere. Damit sei dann für die Afghanen das Problem gelöst. In den letzten zwei Jahren seien seiner Kenntnis nach in Kabul sieben Hindu-Kinder verhungert. Die Kinder in den anderen Vierteln haben nicht einmal Zugang zu dieser Schule, da sie nicht die Möglichkeit haben, den weiten Weg dorthin zurückzulegen.