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Teil 5

Nicht nur aus Altersgründen, sondern auch aus inhaltlichen Gründen, kann man dem Hari Om Mandir in Köln-Heumar eine besondere Stellung zuweisen. Wie erwähnt, wurde dieser Tempel bereits 1991 gegründet, wobei der heutige Tempelbau am 18.12.2004 durch die Einweihung der 17 Götterstatuen, die Pujya Shree Rambaba gestiftet hat, funktionstüchtig wurde. Die offizielle Eröffnung des Tempels fand am 21. Mai 2005 statt. Das zweigeschossige Gebäude besteht aus dem eigentlichen Tempelraum sowie dem im Untergeschoss liegenden großen Fest- und Speiseraum; weitere „Nebenräume„ dienen als Küche, als Klassenzimmer, und aus feuerschutzpolizeilichen Gründen ist auch ein weiterer Nebenraum für die Durchführung von Feueropfern notwendig. Insgesamt ist der gesamte Baukomplex dadurch geeignet, sowohl die religiösen Bedürfnisse, aber auch die kulturellen und gemeinschaftlichen Bedürfnisse, z.B. auch Feiern von Hindu-Hochzeiten, zu befriedigen. Das „Klassenzimmer„ zeigt das Bemühen der Gemeinde, durch Unterricht zur Integration und Bewahrung der eigenen Kultur beizutragen. Man kann nämlich durchaus sagen, dass die afghanischen Hindus und Sikhs im Prinzip Anteil an drei Kulturen haben – nämlich ihre afghanische „Heimatkultur„, eine indische „Religionskultur„ und eine deutsche „Gastlandkultur„. Diese drei Bereiche sind eine Besonderheit dieser ethnischen Gruppe in Deutschland, wobei den Tempeln und Vereinen sicherlich in Zukunft weiterhin die Aufgabe zukommt, sowohl zur Bewahrung des afghanischen und „indischen„ Anteils als auch zur weiteren Stärkung des deutschen Anteils beizutragen, ohne dass es zu einer Assimilation unter Aufgabe oder Vernachlässigung einer Komponente käme. Insofern hat das im Tempel eingerichtete „Klassenzimmer„ eine religiöse, aber auch gesellschaftlich wichtige Funktion. – Am Eingang zum eigentliche Tempelraum hängt eine Glocke, die von den meisten Gläubigen beim Betreten des Raums angeschlagen wird. Bei Eintritt in den Tempelraum fällt der Blick des Eintretenden zunächst auf ein Podest, auf dem während des Gottesdienstes der Priester sitzt, um aus dem religiösen Schrifttum zu rezitieren. Rechts und links dieses Podiums sind die siebzehn Murtis aufgestellt; die einzelnen Statuen sind jeweils ca. 60 cm hoch und stehen auf einem Sockel. Aus der Perspektive des Betrachters befinden sich an der linken Wandhälfte Statuen von Shiva und Parvaiti, der Shiva-Lingam, Jhule Lal, Durga, Ganesha und Sai Baba von Shirdi, an der rechten Wand sieht man Radha und Krishna, Rama und Sita, Hanuman sowie Guru Nanak.

Charakteristisch für das Hari Om Mandir ist, dass man es halb als Mandir, halb als Gurdwara verstehen kann. Dies zeigt nicht nur die eben genannte Ausstattung durch die Statuen, sondern es werden hier Sonntag für Sonntag abwechselnd Texte des Hinduismus (bevorzugt aus der Bhagavadgita) bzw. aus dem Guru Granth Sahib der Sikhs gelesen; auch die daran sich anschließenden Gesänge sind abwechselnd mehr „hinduistisch„ oder „sikhistisch„ geprägt. Diese „europäische„ Charakterisierung wird von den Gläubigen selbst nicht in einem solchen „differenzierenden„ Sinn verstanden, nicht erst im Kölner Mandir. Denn bereits in Kandahar und Kabul gab es – neben „reinen„ Mandirs bzw. „reinen„ Gurdwaras – auch je einen Tempelbau, der die religiösen Bedürfnissen der „Sikh„- wie „Hindu„-Tradition gemeinsam bediente. Dementsprechend werden in Hari Om Mandir sowohl Feste des Hindu- wie des Sikh-Kalenders gefeiert. Zu den wichtigsten Jahresfesten gehören dabei Vesakhi im April, die Durga-Puja im Oktober sowie Diwali im November. In dieser Hinsicht ist der Kölner Tempel – wie analoge Beispiele unter afghanischen Hindu-Sikhs in anderen Ländern – eine gewisse Schnittstelle zwischen Hinduismus und Sikhismus. Dies ermöglicht Sikhs einerseits, dass sie ebenfalls diesen Tempel besuchen können, teilweise ist aber auch zu beobachten, dass für manche die Statuen der Hindu-Götter zumindest befremdlich wirken können, so dass nicht-afghanische Sikhs in Köln ihre eigenen Gurdwaras besuchen. In der Hinsicht, dass Guru Nanak neben den Hindu-Gottheiten Raum im Tempel hat, unterscheidet sich das Hari Om Mandir nicht nur von anderen afghanischen Hindu-Tempeln, sondern auch vom afghanischen Gurdwara Singh Saheb in Stuttgart sowie dem kleinen afghanischen Sikh-Tempel in Hamburg, die als „reine„ afghanische Sikh-Kultstätten hinduistischen Elementen keinen Raum geben.

Fasst man die öffentliche religiöse Praxis kurz zusammen, so ist deutlich, dass sie sich von anderen ethnisch geprägten Formen des Hinduismus, wie wir sie in Deutschland finden, unterscheidet. Der religionswissenschaftlich ausgerichtete Beobachter kann daher sagen, dass innerhalb dieser kleinen Religionsgemeinschaft in Deutschland der Akzent der Beschreibung stärker auf „afghanisch„ liegen soll, wobei diese ethnische Akzent zugleich Differenzierung zu anderen ethnischen Hinduismusformen – z.B. der Tamilen oder Bengalen in Deutschland – ausmacht, aber auch zu einem von Punjabis geprägten Sikhismus. Daher muss man die afghanischen Hindu-Sikhs als eigenständige ethno-religiöse Gruppe beschreiben, die sich natürlich auch klar von muslimischen Afghanen unterscheidet.