Menschenrechte
Afghanistan: Hindus werden verfolgt
Der Zentralrat afghanischer Hindus und Sikhs e.V. weist die deutsche Öffentlichkeit und die Politik seit längerer Zeit darauf hin, daß der Schutz von religiösen Minderheiten und insbesondere der Schutz der Hindus im Rahmen des Wiederaufbauprozesses offenbar vergessen ist.
Darunter leiden die Hindus, die in vielfältiger Weise durch islamistische Kreise, durch untätige und ignorante Polizei, Behörden und Justiz schikaniert und diskriminiert werden.
Obwohl es in den Regionen des heutigen Afghanistan schon viele Jahrhunderte länger Hindus gibt als Moslems („Hindukusch = Berge der Hindus„ !) , und obwohl die Hindus als ethnische Gruppe im Hindukusch die einzigen waren, die sich nicht vom Islam haben bekehren lassen, sondern ihre ursprüngliche Religion behielten, sollen sie jetzt offenbar endgültig aus Afghanistan verbannt und verjagt werden.
Wenn dies eines der Ergebnisse des unter westlicher und internationaler Führung forcierten Wiederaufbauprozesses ist, dann wäre dies ein historisches Versagen der Weltgemeinschaft.
Der Demokratieprozeß kann nur dann als erfolgreich bezeichnet werden, wenn – auch unter Geltung der herrschenden islamischen Mehrheit - die religiösen Minderheiten nicht verjagt, sondern integriert werden.
Der Zentralrat afghanischer Hindus und Sikhs e.V. fordert daher einen Abschiebungsstop für afghanische Hindus und ein Integrationsprogramm für afghanische Hindus in Kabul und Afghanistan unter dem Schutz der Weltgemeinschaft.
Denn die Lage der Hindus in Afghanistan ist prekär und aufs höchste besorgniserregend:
Der renommierte Journalist und Sachverständige Dr. Mostafa Danesch (Köln) kommt nach intensiver Forschung und Dutzenden von teils längeren Aufenthalten vor Ort zu einem für die Hindus dramatischen Ergebnis:
Unter anderem in einem Gutachten vom Januar 2006, aber auch in zahlreichen anderen Stellungnahmen vor Bundesbehörden und Verwaltungsgerichten zeigt der Sachverständige Dr. Danesch auf, daß sich die Verhältnisse in Afghanistan grundlegend zum Nachteil der Hindus verändert haben. Er spricht nunmehr davon,
„daß in der Tat für Angehörige der Hindu- und Sikh-Minderheit die Bestimmungen von § 60 (1) sowie § 60 (7) des Aufenthaltsgesetzes zutreffen, nach denen ein Abschiebungsverbot gegeben ist.„
„Darüberhinaus drohen zurückkehrenden Hindus oder Sikhs aber weitere Gefahren, die erheblich über die Gefährdung hinausgehen, welcher die Bevölkerung allgemein oder andere Rückkehrer aus Europa ausgesetzt sind.„
„…mit der Vertreibung der Taleban und dem Einsetzen der Karsai-Regierung hat sich die Lage der Hindus und Sikhs nicht entscheidend geändert.„
„Die Hindus und Sikhs in Afghanistan sind auch einer explizit kulturellen Diskriminierung ausgesetzt, die eindeutig zum Ziel hat, sie als religiöse und kulturelle Minderheit innerhalb kürzester Zeit auszulöschen.„
„Vor allem in der Religionsausübung werden die Hindus und Sikhs massiv behindert.„
„Gerade bei jungen Mädchen ist die Praxis der Zwangsbekehrung verbreitet…Diese Vorgehensweise ist kein Auswuchs, sondern wird systematisch angewendet.„
„Aus dem oben Gesagten geht hervor, daß in der Tat religiös motivierte Verfolgung von Hindus und Sikhs im heutigen Afghanistan asylrelevante Intensität erreicht. Hindus und Sikhs sind in ihrer Religionsausübung und kulturellen Identität in einem derartigen Ausmaß eingeschränkt, daß ihre Existenz als eigenständige Minderheit akut bedroht ist. Insbesondere muß der häufig getroffenen Einschätzung des Bundesamts widersprochen werden, die Regierung Karsai sei in der Lage oder bereit, Schutz vor nichtstaatlicher Verfolgung zu gewährleisten.
An verschiedenen Punkten – keine Zurückerstattung enteigneten Besitzes, Verbot religiöser Zeremonien, Verweigerung der Unterstützung der Gemeinden in ihren Bldungsbestre-bungen, Zwangsbekehrungen mit Rückendeckung der staatlichen Justiz usw. – wurde nachgewiesen, daß die Regierung Karsai die Hindu- und Sikh-Minderheit nicht nur nicht schützt, sondern sich aktiv an ihrer Verfolgung beteiligt. Insofern kann man für die Hindu- und Sikh-Minderheit tatsächlich von einer nichtstaatlichen wie einer staatlichen oder zumindest doch staatlich sanktionierten Verfolgung sprechen.
Des Weiteren wurde dargelegt, dass die Bedingungen, unter denen die Hindus und Sikh in ihren ehemaligen Tempeln leben, so katastrophal sind, dass eine Abschiebung in der Tat – so das Kriterium deutscher Gerichte – bedeuten würde, Rückkehrer „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen [auszuliefern]„.„
Diese vom Sachverständigen Danesch im Januar 2006 aufgezeigte Tatsachenlage hat sich im Sommer 2006 verfestigt:
- ein moslemischer Rat hat die Wiederbelebung der „Behörde zur Förderung der Tugend und Abwendung der Sünde„ gefordert,
- afghanische Geistliche haben die Wiedereinführung der Religionspolizei gefordert,
- Präsident Karsai beabsichtigt, diese Vorschläge dem Parlament zu unterbreiten.