Teil 3

Der erste Afghanische Hindu- und Sikh-Verein wurde 1991 in Köln von etwa 10 Familien gegründet, wobei als Motivation für diesen Zusammenschluss nicht nur im religiösen Bereich lagen, sondern auch der Erhalt der eigenen Kultur und Sprache im Zentrum der Aktivitäten stand; Gleichzeitig hatte der Kölner Verein von Beginn an das Ziel, zur Integration der Afghanen beizutragen, was sich in den Versuchen einen „doppelten„ Sprachausbildung sichtbar ist: Für ältere Afghanen wurden Deutschkurse organisiert, um diesen Personen dadurch einen Zugang zu ihrem deutschen Gastland zu ermöglichen; für junge Afghanen hingegen wurden Hindi-Sprachkurse organisiert, um auf diese Weise Sorge dafür zu tragen, dass in der Diaspora es zu keinem totalen Abbrechen der Beziehungen zur oder der Entfremdung von heimatlicher Kultur kommt. Der erste afghanische Tempel in Deutschland wurde noch 1991 in Köln (Schanzenstraße 31) eingerichtet, bei dessen Einweihung rund 1500 Personen anwesend waren. In der folgenden Zeit kam es jedoch zu Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Vereins, die teilweise von der kulturellen Herkunft der Vereinsmitglieder – Kandharis bzw. Kabulis – mitbedingt waren. Bevor es zu einem endgültigen Bruch kam, fand eine Spaltung des Vereins statt; aus dem ursprünglichen Verein, der nunmehr von Kandharis (Multanis) geprägt ist, entstand die „Afghanische Hindus Gemeinde in Köln e.V.„ (Hari Om Mandir), während die Kabulis am 5. Juni 1993 den „Afghan Hindu Kultur Verein„ (Sanatan Hari Om Mandir) in Köln-Bayernthal gründeten. Beide Vereine kümmern sich – trotz gewisser Unterschiede – bis heute intensiv um die religösen und kulturellen Belange der Afghanischen Hindus und Sikhs im Großraum von Köln. Ein weiteres Zentrum im Nordrhein-Westfalen ist in Essen, wo 1992 die ersten Bemühungen von ca. 25 Personen festzustellen waren, an ihrem Wohnort ebenfalls ein religiöses Kulturzentrum zu etablieren, was mit der Einweihung des ersten Tempels am 6.11.1993 gelang; das Zentrum trägt den Namen Dharam Kendre (heute Burggrafenstraße 10), womit die Offenheit für unterschiedliche Richtungen innerhalb der Afghan Hindu- und Sikh Gemeinschaft zum Ausdruck kommt. Derzeit hat der „Kulturelle Verein Afghanischer Hindus in Essen e.V.„ rund 200 Mitglieder. Ebenfalls noch im Jahr 1991 war in Hamburg die „Afghanische Hindus Gemeinde e.V.„ gegründet worden, der es 1994 gelang, einen eigenen Tempel zu etablieren. Derzeit ist die Hamburger Gemeinde mit rund 2000 Mitgliedern die größte in Norddeutschland. In den folgenden Jahren kamen weitere Vereine hinzu, so wurden im Jahr 2002 Vereine in Frankfurt und Kassel eingerichtet, jüngst auch in München. Der Tempel in Kassel (Bunsenstraße) ist derzeit noch das kleinste Zentrum in Deutschland mit ca. 50 Familien. Der Frankfurter Tempel (Salzschlirfer Straße 12), mit dem Namen „Shree Aasamai Mandir„ zeigt einen klaren Bezug zum zentralen Tempel der Hindu-Berggöttin Aasa Mai in Kabul; auch die Frankfurter Gemeindeist als „Afghan Hindu Kulturverein„ eingeschrieben. Schließlich ist noch der „Afghan Hindu Sikh Verein e.V.„ Stuttgart zu nennen, der insofern eine gewisse Sonderstellung einnimmt, als der Tempel kein „Mandir„, sondern das Gurdwara Singh Saheb (Stamheimstraße 41) ist, d.h. dieser Verein ist hinsichtlich der religiösen Praxis stärker an Sikh-Elementen als an hinduistischen Riten orientiert.

Fasst man diesen kurzen Überblick zusammen, so sieht man zwei Schwerpunkte – nämlich einerseits Nordrhein-Westfalen mit drei Tempeln sowie Hamburg als norddeutscher Fokussierungspunkt. Teilweise sind solche lokale Schwerpunkte unter Migranten von Zufälligkeiten abhängig, d.h. wenn es einigen Migranten gelungen ist, an einem Ort Fuß zu fassen, so ziehen sie andere nach sich, weil solche „Neuankömmlinge„ dadurch einfach Anhaltspunkte finden. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass Nordrhein-Westfalen eine – verglichen mit anderen Bundesländern – in den 1980er und 1990er Jahren relativ liberale Asylpolitik betrieben hat, was z.B. auch dazu geführt hat, dass sich tamilische Hindus aus Sri Lanka vorzugsweise in diesem Bundesland niedergelassen haben. Vergleichbares lässt sich auch für die offene Großstadt Hamburg beobachten. Damit kann man die Etablierung größerer Gemeinden und Tempel an diesen Orten erklären. Demgegenüber kann man die Gemeinden in Kassel, Frankfurt und München als „Sekundärgemeinden„ bezeichnen, deren Entstehung eine Folge der „Vorbildwirkung„ der älteren Tempelvereine an den anderen Orten ist. Denn der Nutzen solcher religiöser und kultureller Zentren für den Zusammenhalt und die Identitätsbewahrung hinduistischer Afghanen, aber auch als Koordinations- und Hilfestelle in Fragen der Integration der Hindus in die deutsche Gesellschaft ist nicht zu übersehen.


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