Teil 11

In diesen gesamten drei Häusern leben insgesamt 1.100 Menschen, darunter viele Kinder. Auch ein Metallcontainer befindet sich dort; einige Menschen haben es vorgezogen, sogar bei den eisigen Temperaturen in den Container zu ziehen, statt in den „Häusern„ zu wohnen, einige wenige andere haben primitive Zelte errichtet. Vor dem Komplex befindet sich eine einzige Wasserstelle mit nur einem Wasserhahn, Waschen und Duschen ist nicht möglich. Acht Latrinen bestehen nur aus Löchern, die in den Boden gegraben sind, und sind in dieser Situation eine Quelle von Infektionen und eine Seuchengefahr. Auf meine Frage an die Flüchtlinge, ob sie je Unterstützung durch die Regierung oder Hilfsorganisationen erhalten hätten, teilten sie mir folgendes mit: Seit vier Jahren lebten sie in diesem so genannten Lager. Ein einziges Mal habe sich in dieser Zeit das Rote Kreuz sehen lassen. Damals habe jede Familie eine einmalige Zuteilung von sieben Kilo Erbsen und Zucker sowie achtundzwanzig Kilo Reis erhalten – ein einziges Mal in vier Jahren für eine Familie von acht bis zehn Personen!

Im Zeltlager der UNHCR auf dem Weg nach Jalalabad im Osten von Kabul traf ich einen Vertreter des afghanischen Ministeriums für Rückkehrer namens Zamani. Ich fragte ihn, welche Hilfen die Flüchtlinge über die 12 Dollar hinaus bekämen. Seine Auskunft: Er sei seit 2002 in diesem Lager tätig, wo alle neu in Afghanistan eintreffenden Flüchtlinge ankämen. Nicht ein einziges Mal sei ein Vertreter seines Ministeriums dort gewesen, um zu helfen. Er selbst sei nur als Beobachter und für die Regelung der technischen Abläufe anwesend. Im Ausland habe man unter den Regierungen und Hilfsorganisationen die Information verbreitet, eine ausländische UN-Institution namens International Organization for Migration (IOM) kümmere sich um die Flüchtlinge, die aus Europa kämen. Die Wahrheit sei jedoch, dass diese Organisation nur die Transportkosten übernehme, aber den Flüchtlingen keine weitere Hilfe zukommen lasse. In dem Fall, dass einige wenige der Flüchtlinge selbst Geld hätten, um beispielsweise ein Geschäft zu eröffnen, könnten sie eventuell von der Organisation einen Zuschuss von 1000 Dollar erhalten. Doch das sei sehr selten; wenn ein Flüchtling Tausende Dollar besäße, um ein Geschäft zu gründen, sei er schließlich auf dieses Geld nicht angewiesen. Praktisch sei ihm kein Fall bekannt, in dem die IOM auf diese Weise Flüchtlingen geholfen habe.

Es kann also keine Rede davon sein, dass die Versorgung der Flüchtlinge durch die Hilfsorganisationen gewährleistet sei. In den letzten vier Jahren war kein Regierungsvertreter in diesem Lager – ebenfalls nicht erstaunlich, wenn man bedenkt, was der zuständige Minister oben berichtete. Auf die Frage, wovon sie überhaupt lebten, erklärten die Flüchtlinge, die Frauen gingen betteln, die Kinder gingen betteln oder lungerten verwahrlost herum (Schulen gibt es für sie natürlich auch nicht), und die Männer könnten, wenn sie Glück hätten, gelegentlich tageweise Arbeit in der Baubranche finden und dort ca. 2 Dollar am Tag verdienen. Die Baubranche ist zur Zeit die einzige Branche, die wächst, da es sich durch die hohen Mieten, die man von den ausländischen Helfern verlangen kann, lohnt, neue Häuser zu errichten. Auch inmitten der allgemeinen Armut gibt es genug Drogenbarone, ehemalige Mujahedin-Kommandanten und Kriegsfürsten, die enorme Reichtümer angehäuft haben und entweder neue Mietshäuser für reiche Ausländer oder Luxusvillen für sich selbst bauen können. Die verarmte Bevölkerung oder die Flüchtlinge haben davon nichts.


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