Teil 15

In der internationalen Öffentlichkeit besteht der Eindruck – auf den sich auch die Entscheider in Gerichtsverfahren immer wieder berufen – die internationale Hilfe für Afghanistan sei beträchtlich; Milliardenbeträge würden eingesetzt, die den Bedürftigen, also auch abgeschobenen Rückkehrern, zu Gute kämen. Tatsächlich aber kommt von der internationalen Hilfe praktisch nichts bei den bedürftigen Menschen an. Dies liegt vor allem daran, wie diese Hilfe organisiert wird. In Afghanistan sind zur Zeit etwa 2400 ausländische Organisationen mit 24.000 Mitarbeitern tätig, die Gehälter zwischen 10.000 und 60.000 US-Dollar beziehen und in der Lage sind, Mieten zwischen 3000 und 30.000 US-Dollar monatlich zu bezahlen. Hierfür wird der größte Teil der Hilfsgelder verbraucht. Laut Aussagen von Regierungsmitgliedern, die ihre Namen nicht genannt wissen wollen, fließen 87 % der Hilfsgelder auf diese Weise direkt wieder an die ausländischen Organisationen.

Momentan existieren wirkliche Hilfsprojekte nur auf dem Papier. In diesem Zusammenhang sprach ich mit dem afghanischen Minister für Rückkehrer, Dr. Azam Dadfar. Im Jahr 2005 sollte Afghanistan von der internationalen Gemeinschaft 4,8 Milliarden US-Dollar Hilfe erhalten, berichtete der Minister. Davon waren 3,5 Milliarden für Ausländer und ausländische Organisationen bestimmt. Diese Gelder fließen also direkt wieder in die Taschen von Ausländern, Menschen, die Jahresgehälter von bis zu einer halben Million US-Dollar beziehen. 1,3 Milliarden Dollar, also ein Viertel, sollte auch die afghanische Regierung für Wiederaufbauprojekte erhalten. Man habe jetzt den achten Monat des Jahres (nach dem afghanischen Kalender), und die Regierung habe bis jetzt nur 168 Millionen erhalten. Problematisch sei außerdem, dass die Regierung jetzt sehr rasch Rechenschaft über die Verwendung dieser Summe ablegen müsse, weil sonst der Rest des Geldes nicht ausgezahlt würde, sondern wieder an die Weltbank zurückfließe. Wenn die Regierung jedoch kräftig Geld ausgebe, so könne sie bis zum Ende des afghanischen Kalenderjahres (bis März 2006) noch einmal 300 Millionen erhalten. Der Rest von über 800 Millionen falle auf jeden Fall wieder an die Weltbank.

Die Fakten sind also folgende: Tatsächlich hat die afghanische Regierung zu ihrer eigenen Verwendung bis zum achten Monat des laufenden Kalenderjahrs nur 168 Millionen US-Dollar erhalten, während offiziell die Summe der internationalen Hilfsleistungen mit 4,8 Milliarden angegeben wird. Das System ist so angelegt, dass nur der kleinste Teil dieser Summe überhaupt bei den Afghanen ankommt.

Ein weiters Beispiel des Ministers: Die USA behaupteten, jährlich 3 Milliarden für den Wiederaufbau des Landes, Projekte usw. auszugeben. Davon gelangen über die internationalen Banken nur 60 Millionen direkt an den afghanischen Staat. Der Rest fließe in die Kassen der Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Wie oben gesagt, werde ein großer Teil des Geldes für die nach afghanischen Verhältnissen exorbitanten Gehälter der Helfer ausgegeben; dem afghanischen Volk jedoch komme es nicht zu Gute. Noch einmal nach dem konkreten Schicksal der Flüchtlinge befragt, musste der Minister zugeben, dass jährlich Hunderte von ihnen an Unterernährung stürben.


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