Teil 22

Lage der Hindus und Sikhs im heutigen Afghanistan

So weit die Ausführungen zur allgemeinen Lebenssituation und zur Sicherheitslage der Bevölkerung. Diese waren notwendig, um darzustellen, dass eine Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern nach Afghanistan grundsätzlich nicht zu befürworten ist. Darüber hinaus drohen zurückkehrenden Hindus oder Sikhs aber weitere Gefahren, die erheblich über die Gefährdung hinausgehen, welcher die Bevölkerung allgemein oder andere Rückkehrer aus Europa ausgesetzt sind.

Bereits die Mujahedin hatten die Infrastruktur der Hindu- und Sikh-Gemeinden zerschlagen und den Großteil der einst einflussreichen Minderheit aus dem Land vertrieben. Schon nach 1992 waren bis auf wenige Menschen, die sich eine Flucht aus finanziellen Gründen nicht leisten konnten, praktisch alle afghanischen Hindus und Sikhs geflüchtet. Auch die Taleban betrieben nach ihrer Machtübernahme (Einmarsch in Kabul 1996; Beherrschung praktisch des ganzen Landes ab 1998) gegenüber den wenigen noch im Land verbliebenen Hindus eine äußerst restriktive Politik. Hindus und Sikhs mussten Zeichen an ihrer Kleidung tragen, um sie kenntlich zu machen und besser kontrollieren zu können. Während der Taleban-Herrschaft waren die Hindus und Sikhs sowohl religiös als auch ethnisch motivierter Verfolgung ausgesetzt: zum einen als „Gottlose„ und „Götzendiener„, die den extrem fundamentalistischen Taleban womöglich noch verhasster waren als den Mujahedin; zum anderen wurden sie von den paschtunischen Taleban, deren politisches Ziel die Wiederherstellung der alten paschtunischen Vorherrschaft in Afghanistan war, auch als ethnische Minderheit diskriminiert.

Im ganzen Land waren nur einige hundert Familien verblieben, insgesamt höchstens 1000 Personen, die weit verstreut lebten und versuchten, sich der afghanischen Bevölkerung anzupassen, um nicht aufzufallen. Speziell in Kandahar wurden Hindus und Sikhs derart drangsaliert, dass sie versuchten, sich zu assimilieren, afghanische Kleidung trugen und Pashtu sprachen. Wenn man heute solche Menschen trifft, kann man feststellen, dass sie ihre Identität vollständig verleugnet haben, um ihr Leben zu retten. Im heutigen Afghanistan leben heute nur noch ca. 1.500 – 2.000 Hindus und Sikhs. In Kabul sind es nach meinen intensiven Recherchen und Beobachtungen nicht mehr als 1.000 bis 1.300. Bereits an dieser Stelle möchte ich vorwegnehmen, dass sich mit der Vertreibung der Taleban und dem Einsetzen der Karsai-Regierung die Lage der Hindus und Sikhs nicht entscheidend geändert hat.


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